Heute wird Cara wieder in der Herzklinik in St. Augustin aufgenommen. Glücklicherweise landen wir auf der Station K3 wo wir mit offenen Armen empfangen werden. Die Schwestern freuen sich Cara wieder zu sehen – auch wenn der Anlass nicht wirklich schön ist. Aber … wir sind ja NUR wegen der Magensonde (PEG) da …Die Aufnahme dauert nicht lange. Messen, wiegen, Urinbeutel ankleben und ab ins Zimmer. Der Tag verläuft träge aber wir haben glücklicherweise eine sehr nette Zimmergenossin. Andrea kommt aus Paderborn und ist mit ihrer kleinen Tochter da. Wir unterhalten uns sehr gut ich hab den Eindruck, dass wir auf derselben Wellenlänge sind. Das tut gut wenn da ein gewisses Vertrauen entsteht. So kann ich oder Andrea beruhigt mal aus dem Zimmer gehen, weil wir gegenseitig auf die Kinder aufpassen.

Der Chirurg stellt sich vor und erklärt, dass es nicht so einfach ist gerade mal schnell eine PEG zu verlegen. Das würde dann eine größere OP bedeuten, den Bauch aufschneiden und ein neues Loch durch die Magenwand bohren. Also werden sie lediglich die Silikonplatte – die die PEG im Magen fixiert – rausholen und diese durch einen Ballon ersetzen. Den Ballon kann man mit Wasser individuell füllen, so, dass er sich nicht mehr mit dem Defibrilator (Defi) in die Quere kommt. Der Ballon ist auch etwas weicher als die radförmige, zackige Platte. „OK“ sag ich … das klingt vernünftig. Gleichzeitig wollen die Chirurgen eine Magenspieglung machen um den Magen abzuchecken … Gut ! Dann können wir vielleicht spätestens am Wochenende wieder nach haus …. Ich unterschreibe den ganzen Papierkram und hoffe, dass sie Cara morgen noch ran nehmen. Sie wird nämlich als letzte Patientin auf den morgigen OP-Plan aufgenommen.

Am Nachmittag besucht uns unser Neurologe der Cara von Anfang an betreut hat. Er freut sich über ihren entspannten Zustand und warnt mich ausdrücklich vor einem endoskopischen Eingriff von Frau Dr. Tamaschke. Und ich solle mich unbedingt mit der Neurochirurgin des Hauses, Frau Messing-Jünger, in Verbindung setzen. Sie könnte mir einiges über diese Endoskopien erzählen und auch noch mal Cara´s Zustand beurteilen. Ich frage mich „was würde der Neurologe tun, wenn eins seiner Kinder in Cara´s Situation käme ?“ Würde er auch sagen „finden wir uns einfach damit ab, dass wir nun ein schwer behindertes Kind haben ..“ ? Ich glaube es wohl kaum …. Ich bin erstmal wieder bedient von diesem Thema .. und traurig ….  Es fällt mir abends wieder schwer nach hause zu fahren und meinen Sonnenschein da zu lassen. Kann sie wohl einschlafen ? Merkt Cara, dass sie nicht in ihrem eigenen Bett liegt ? Stört die Geräuschkulisse sie ?  1000 Fragen … Von zu hause ruf ich dann noch zweimal an bevor ich schlafen gehe … Cara schläft und ich kann so auch beruhigt zu Bett gehen … das ist der EINZIGE Nebeneffekt … wenn Cara im Krankenhaus ist, kann ich durchschlafen … ich habe fast schon ein schlechtes Gewissen, dass ich mich auf die Nachtruhe irgendwie freue … ist das egoistisch ? Ich schließe die Augen, bitte den lieben Gott meine kleine Tochter zu behüten und beschützen, bitte die Schutzengel über sie zu wachen … jeden Abend mach ich das .. und bitte die geistige Welt um Cara´s körperliche und geistige Heilung … erst dann kann ich in Ruhe einschlafen … Unser Kater hat sich auch schon auf mein Kissen gekuschelt .. sein monotones Schnurren lässt mich schnell einschlafen….

12.03.08

Vormittag fahr ich wieder zu meiner Kleenen, sie hat die Nacht gut verbracht und gut geschlafen.  Die Wartezeit zieht sich dahin, ich kuschele viel mit meiner Maus, raus können wir leider nicht, es ist sehr stürmisch. Herr Schüpp, unser Seelsorger kommt uns besuchen und fordert uns auch auf, ein Gespräch mit der Neurochirurgin des Hauses zu führen. Ja .. OK .. wir werden es tun ! Aber das ändert trotzdem nichts an unserer Entscheidung, Cara von Frau Dr, Tamaschke behandeln zu lassen!  Mittags schläft Cara eine halbe Stunde, die Arme, sie hat seit heute Morgen acht Uhr nichts mehr zu essen bekommen. Ich glaub sie hat Hunger, sie schmatzt so …  Um viertel nach drei ist es soweit, wir können sie runter in den OP bringen. Vor der Tür muss ich mich von ihr verabschieden und wieder blutet mein Herz, als sie reingeschoben wird. Es ist unvorstellbar, jedes  Mal wenn ich mich unter diesen Umständen von ihr trenne muss, könnte ich heulen, schreien und treten ! Ich kann einfach nicht los lassen obwohl ich weiß, dass ihr geholfen wird. Heulend geh ich raus, erstmal eine rauchen und ein Stück „Frustkäsekuchen“ essen …

Wieder auf Station angekommen, sagt mir die Schwester ich möchte bitte noch mal runter in den OP weil der Chirurg mit mir reden möchte. Mir wird heiß und kalt zugleich !! Was passiert ? Nee, sagt die Schwester, alles gut , aber er möchte mir nur was sagen… OK, noch mal runter, habe trotzdem ein mulmiges Gefühl … er möchte sich mit mir sicher nicht nur über das Wetter unterhalten … schließlich müsste Cara eigentlich bald fertig sein … Und ich sollte recht behalten mit meinem Gefühl .. ist nichts ganz Schlimmes aber auch nichts Angenehmes … Die Magenspieglung hat nichts Negatives ergeben – gut ! Die Silikonplatte der PEG ging auch wunderbar über die Speiseröhre des Kindes raus – gut ! ABER .. als sie den Ballon einsetzen wollten, haben sie gemerkt dass an der Spitze des Ballons etwas Stuhl zu sehen war !! Wie kommt der dahin ? In den Magen ??!! Jaaaa … beim Einsetzen der PEG im Oktober wurde leider der Dickdarm minimal perforiert und zwischen Platte und Bauchdecke eingeklemmt ! „Ein Kunstfehler der Ärzte ?“ frage ich  … Nee .. DIE Komplikation beim Einsetzen einer Magensonde … Mein Herz rast .. Das bedeutet jetzt doch eine richtige OP ! Ja, der Bauch wird aufgeschnitten, der Dickdarm übernäht, eine neue PEG gelegt (also ein neues Loch in die Bauchdecke gestochen !) Der Chirurg ist ganz entspannt, nichts Tragisches … und dann geht die Tür zum OP wieder zu und ich stehe da !!   Wie ein begossener Pudel trotte ich raus, wieder eine rauchen , dann schleich ich aufs Zimmer und erzähle Andrea alles.

Da ich kein Sitzfleisch habe, fahre ich in den Real einkaufen.  Als ich wieder zurückkomme, ist Cara immer noch im OP. Die Stunden vergehen und ich werde immer nervöser. Ich erfahre, dass Cara nach der OP auf die Intensivstation der Kinderklinik kommt. OK, da kennen wir ja auch alle, das war ja schließlich und endlich unsere aller erste Station hier. Damals. .. vor sieben Monaten… Inzwischen ist auch Olaf da und endlich um 21 Uhr können wir zu unserem Kind. Wisst ihr was ?  Cara liegt im selben Zimmer und Bett wie vor sieben Monaten ! Als wir das Zimmer betreten, werde ich bei ihrem Anblick sofort wieder zurück geworfen. Da liegt sie, stöhnend, verkabelt und hat vier Zugänge. Da ist wieder dieses Gebimmel der Monitore, das Piepen der Herzfrequenz. Ich schaue automatisch wieder auf den Monitor. Es ist, als ob diese Monate die dazwischen liegen, nie existiert hätten !! Die Tränen glühen mir in den Augen und ich versuch sie erfolgreich zurückzuhalten. Dann merk ich wie Cara sich übergeben muss, sie liegt aber am Rücken und alles droht in die Speiseröhre zu fließen, das Atmen klingt so gurgelnd und ich gerate in Panik ! Die Schwester dreht sie auf die Seite und mir scheint es eine Ewigkeit bis sie den Absaugschlauch parat hat. Inzwischen fließt dieser braune Magenschleim über Nase und Mund raus, trotzdem muss Cara abgesaugt werden. Sie beruhigt sich danach, stöhnt aber trotzdem weiter. Sie scheint mir aufgedunsen … Ich betrachte mein zerstochenes Kind .. sie hat an beiden Händen und am Fuß Zugänge, einen ZVK (zentralen Venenkatheter) in den Hals und einen dünnen Katheter durch die Brust in die Wirbelsäule für die Schmerzmittel. Außerdem sehe ich weitere Stiche in Hals und Fuß .. da hat es wohl nicht geklappt mit den Zugängen…  Sie muss sich wieder übergeben, ich dreh sie sofort auf die Seite, die Schwester versorgt aber gerade das andere Kind im Zimmer und ist nicht sofort zur Stelle. Wieder überkommt mich diese eisige Panik aber es geht gut. Jetzt kann ich mich nicht mehr zusammenreißen und heule los ! Ich könnte die ganze Welt anschreien , so weh tut mir das alles !!! Olaf fährt kurz danach nach haus, er kann es nicht ertragen Cara so zu sehen und dieses elende Gebimmel auf Station zu hören. Ich bleibe noch bis kurz nach 23 Uhr bei meinem Kind, sie bekommt inzwischen Schmerzmittel und beruhigt sich … ich verspreche ihr, dass es ihr morgen wieder besser gehen wird … dann fahr ich nach haus … eine eisige innere Kälte begleitet mich ..